Dienstag, 30. Juli 2013

Alex Capus. Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer


Dass dies ein großer Roman ist - man spürt es mit den ersten Sätzen:
"Ich mag das Mädchen. Mir gefällt die Vorstellung, dass sie im hintersten Wagen des Orient-Express in der offenen Tür sitzt, während silbern glitzernd der Zürichsee an ihr vorüberzieht. Es könnte Anfang November 1924 sein."
Wer dieses Mädchen ist? Laura d'Oriano.
Und der sie im Zürcher Hauptbahnhof beobachten könnte, ist ein junger Mann namens Felix Broch.
Ebenfalls zufällig könnte der aus Griechenland kommende Emile Gilliéron das Mädchen und den Burschen bemerken.
Und so fängt es an. Real sind sie sich nie begegnet. Doch möglich hätte es sein können -

Ganz anders, als in dem Liebesroman "Leon und Luise", vermischt Capus in diesem Roman Fakten und Fiktionen. Lässt er reale Personen in realen Situationen auftreten.
Immer verbunden mit einem kleinen Augenzwinkern, dass es genauso hätte sein können, weil er es sich so vorstellt. Dabei bleibt Capus stets stiller Beobachter. Ohne zu urteilen oder zu werten.

Drei Leben - drei völlig verschiedene Entwicklungen.
Laura d'Oriano muss eines Tages erkennen, dass ihre Stimme zu professionellem Gesang nicht ausreicht. Damit zerplatzt ein Traum. Stürzt sie das in eine Depression? Nein. Laura akzeptiert, findet es zwar schade, doch hat sie noch immer so ein Gefühl in der Brust. Wie ein Summen aus dem Weltraum. Und sie muss aufs Zigarettenrauchen nicht länger verzichten. Sie kann immer noch in kleinen Clubs auftreten.
Ihre Kunst zum Theaterspiel verleiht ihr außerdem die Gabe, eine fast perfekte Spionin zu werden.

Felix Broch, Pazifist und Physiker, ist nach großartigen Forschungen aufgeommen worden in den Kreis um den Wissenschaftler Oppenheimer. In Mexiko wir die erste Atombombe gebaut. Mit dem eigentlichen Ziel, Hitler zuvorzukommen.
Emile Gilliéron verwendet seine Leidenschaft und sein Genie zum Malen, um griechische Kunst zu fälschen.

Man hätte sich vielleicht weniger Fakten und dafür noch mehr Phantasie des Autors im Umgang mit seinen Figuren gewünscht. Das Ende kam dann fast zu abrupt. Dennoch absolut lesenswert.
Ein Stück Zeitgeschichte außerdem und ein spannendes Bild der Schweiz der 30er und 40er Jahre.

Samstag, 27. Juli 2013

Katharina Hartwell. Das fremde Meer


Phantastisch, märchenhaft, spannend - Worte, um ihn zu beschreiben gibt es so viele, doch zuerst ist er natürlich dies:
ein ganz großer Liebesroman.
Erzählt wird von der Liebe in all ihren Variationen.
Vom Glück und dem damit verbundenen Schmerz.
Erzählerin der zehn Geschichten ist Marie. Zuerst beginnt sie, von sich zu erzählen und davon, wie sie ihn fand, den sie so sehr liebt: Jan.
Aus einem Grund, den wir erst am Ende erfahren, folgen nun Storys (meist) tragischer Liebespaare. Immer muss ein kranker, schwacher Julian, Yann oder Jacques aus den Wolken, den Meeresfluten oder einem Turm gerettet werden.
Jedesmal sucht eine aufrechte, mutige und starke Moira, Martha oder Miranda ihren Geliebten.

Und das Verrückte ist, jede Geschichte bedient ein anderes Genre!
Katharina Hartwell wechselt von einer Science-Fiction-Story zum Märchen, gefolgt von einer Story, deren Figuren und Orte historisch belegt sind.
Bedrückend und beängstigend mutet die Atmosphäre in der Salpêtrière an, einer psychiatrischen Anstalt im Paris des 19. Jahrhunderts. Reale Figuren, wie der berühmte Arzt Charcot und sein Assistent Freud sowie die Patientin Blanche Wittman (Hysterikerin) tauchen auf.
Dann wird es wieder versponnen und verzaubert. Ein Junge muss aus einem Leuchtturm, ein anderer aus einem schwebenden Zeppelin gerettet werden.
Ein Entfesselungskünstler à la Houdini begegnet im Zirkus einem Medium.

Orte, Ereignisse und Symbole wiederholen sich und verknüpfen die Geschichten auf geheime Weise.
So tauchen immer wieder Schlüssel und dazu passende Schlösser auf. Das Zwillingspaar Merwin und Corwin geistert durch mindestens zwei Geschichten. Wir befinden uns mal in der Wechselstadt, dann in der Nordstadt.
Marie erzählt und erzählt. Gern auch von ihrer großen Liebe zu Jan (S. 341):
"Ich wünschte, du wärst kleiner, leichter....
Ich wünschte, du wärest so klein und leicht, dass ich dich zusammenfalten und bei mir tragen könnte.
Ich wüsste, dass du gut verwahrt bist und geschützt vor der Welt.
Der Schlag deines stecknadelgroßen Herzens, ich hätte ihn immer im Ohr.
Wir wären nie getrennt."
Als in der Geschichte mit dem Zeppelin die Krankenschwester Milena dem lichtkranken Jakob "Das fremde Meer und andere Geschichten" vorliest, glaubt man, etwas zu ahnen.......
....bis man schließlich den letzten Satz gelesen hat und einfach nur beeindruckt ist.
Manche der Stories hätte vielleicht kürzer und geraffter erzählt werden können.
Doch ich glaube, dass ich dieses Buch gerne wieder lesen werde. So viel gibt es noch zu entdecken.
Schön auch die eingefügten historischen Abbildungen.











Dienstag, 16. Juli 2013

Magisch/mystische Aussichten


Gerade ist mir aufgefallen, dass die Monate August und September voll mit Neuerscheinungen sind, deren Titel fast schon spirituell klingen....ohne dies wirklich zu sein. Die Namen der Autoren sprechen dagegen. Und die Inhalte eigentlich auch. Eine kleine Vorschau:

Thomas Glavinic überrascht mit "Das größere Wunder" - ein großartiger Roman über die Besteigung des Mont Everest.

"Traumfänger" von Khaled Hosseini erzählt die Geschichte zweier Geschwister, deren gemeinsamer Weg in Afghanistan beginnt, durch das Schicksal getrennt aber in völlig verschiedene Richtungen geht. 

Über Selbstjustiz und deren Folgen erzählt Andreas Eschbach in "Schutzengel" - super spannend!!!

Leon de Winter hat in seinem Roman "Ein gutes Herz" die verrückte Idee, die Geschichte um den ermordeten Filmregisseur Theo van Gogh weiter zu führen. Hauptfiguren sind neben The van Gogh auch:
sein Mörder (der Marokkaner Boujeri), ein schwarzer Franziskanerpriester sowie ein Autor namens Leon de Winter.... Spannend, böse und so schräg.

Mein absoluter Geheimtipp wird sein "Das Erwachen der Senorita Prim" von der spanischen Autorin Natalia Sanmartin - eine wunderschöne Geschichte über die Lust am langsamen Genießen, am behutsamen Umgang miteinander und natürlich über Bücher und Liebe....

Wer auf hohem Niveau lachen will, wird sich freuen, dass Sven Regener einen neuen Roman geschrieben hat. "Magic Mystery". Karl Schmidt, bereits bekannt aus "Herr Lehmann", ist wieder da!!
Zur Einstimmung auf den Roman schaue ich mir jetzt erstmal den Film an......





Sonntag, 14. Juli 2013

Ratlos mit "Zügellos" von Dominique Manotti. Aus dem Französischen von Andrea Stephani

Ich hatte mich auf meinen ersten Krimi der französischen Autorin
Dominique Manotti gefreut.
Und außerdem gehofft, ihn in gewohntem Tempo durchzulesen. Man denkt, dass man die 286 Seiten rasend schnell schaffen könnte. Kann man nicht.

Manottis Text ist ungewohnt dicht, die Sätze atemberaubend kurz, manchmal nur aus wenigen Worten bestehend, womit wiederum ganze Szenen beschrieben werden. 
Ihr Stil - ohne jegliches Pathos - ist inspiriert durch den Krimiautor James Ellroy  und es verwundert nicht, dass ein Inspektor in ihrer Story die "Schwarze Dahlie" liest.

Insgesamt geht es um verdammt viele Themen: 
Pferdewetten, korrupte Politiker, Versicherungsbetrug, Immobilienhandel, Aktien, südamerikanische Mafia, Drogenexzesse, Transsexuelle, ..... und am Rande auch noch um Aids. Es sterben Pferde und Menschen.
Manotti vermischt in diesem actionreichen Thriller Fakten und Fiktionen und führt uns in den Sommer/Herbst 1989 - eine in jeder Hinsicht spannende Zeit. Vom Fall der Mauer bekommt man jedoch weniger mit, als vielleicht erhofft. 
So bleibt am Ende ein Mix aus Faszination (Manotti ist Historikerin und hat jede Menge Faktenwissen) und seltsamer Unberührtheit. 
Auf einer Skala von 1 bis 5 könnte ich hier maximal 3 Sterne vergeben.

Sonntag, 7. Juli 2013

Liebe, Leidenschaft und Bücher - Nina George, Das Lavendelzimmer

6.51 Uhr - Berlin am Morgen und ich habe diesen zauberhaften Roman ausgelesen. Er lässt einen verändert zurück! Glücklich auf jeden Fall. Aber auch nachdenklich. Was macht das Leben so besonders? Die Antworten, die George gibt, sind relativ einfach:
Liebe, gutes Essen, Freunde, Bücher -

Zugegeben, die ersten Seiten waren mir ein wenig "verquatscht" und ich fürchtete, ich müsse den Roman schnell wieder weglegen.
Obwohl - die Idee, einen Frachter in ein Bücherschiff umzubauen und es  "pharmacie littéraire" zu nennen, fand ich schon mal ziemlich verrückt.
Auf Seite 38 machte es dann plötzlich KLICK und ich begann, aufmerksamer zu lesen.
Jean Perdu, ein etwa 50-jähriger Buchhändler in Paris, vergleicht hier Romane mit einem guten Freund, einem wärmenden Handtuch, einer Ohrfeige oder schließlich mit rosafarbener Zuckerwatte - und das hatte meine ganze Aufmerksamkeit.
Mit seiner Beratung und schließlich dem Verkauf seiner Bücher, will er Gefühle und Regungen behandeln, für die sich kein Arzt oder Therapeut interessiert.
Trauer, Schwermut, Heimweh nach der Kindheit .... Er glaubt, dass es auf lange Sicht entscheidender ist, welches Buch man liest, als wen man heiratet.

Nun hat Perdu selbst aber schweren Liebesschmerz, den er seit 20 Jahren in seinem Herzen trägt.
Wie er diesen endlich los wird und seine Trauer um die geliebte Manon bearbeitet, das erfährt man in "Lavendelzimmer". Und begegnet dabei wundervollen Romanhelden, wie dem neapolitanischen Pizzabäcker Cuneo, dem jungen Starautor Max Jordan, den Katzen Kafka und Lindgren. Und Cathérine.





Samstag, 6. Juli 2013

Im New York der 50er Jahre mit Don Winslow, Manhattan. Aus dem Amerikanischen von Hans-Joachim Maass

Mit dem Satz "Walter Withers war bei der CIA nicht unglücklich, ihm fehlte einfach nur New York.", lässt Winslow seinen Thriller beginnen und schon sind wir mittendrin im Manhattan der 50er Jahre.
Zeit der Beatniks, Jazzclubs und großartigen Boulevard-Theater.
Immer wieder lässt Winslow den Charme dieser Zeit vor dem Leser lebendig werden, wenn eine Schallplatte von Thelonius Monk aufgelegt oder weiße Papierbögen mit Kohlepapier in Underwood-Schreibmaschinen eingelegt werden.

Walter also kehrt nach drei Jahren Schweden zurück in sein geliebtes Manhattan, wo er den Auftrag erhält, als Personenschützer den jungen Senator Joe Keneally und seine Frau Madeleine während ihres Aufenthaltes im weihnachtlichen New York zu beschützen.
Nur kurz währt die fröhliche Atmosphäre, bis in Walters Hotelzimmer die umwerfend gut aussehende und sehr blonde Schwedin Marta Marklund tot aufgefunden wird. Walter muss nicht nur seine Unschuld beweisen, er gerät in eine kriminelle Maschinerie, in welcher er entdeckt, dass auch seine Geliebte Anne nicht ganz unschuldig ist.

Turbulent, rasant erzählte Story. Schwarzhumorig, hard boiled. Ganz anders als die aktuellen Drogen/Mafia-Thriller von Winslow. Im Original bereits 1996 erschienen.

Donnerstag, 4. Juli 2013

Urlaub mit Fantasy: Kerstin Gier, Silber

Bin gerade zurück aus einem wundervollen Urlaub....mit im Koffer war dieser phantasievolle Jugendroman.
Für alle Mädchen (und für alle Frauen, die das Mädchen in sich bewahrt haben) ist die Geschichte über Liv Silber eine echt nette Lektüre!
Gewohnt frech im Erzählton (wie es echte Kerstin-Gier-Fans lieben) und spannend bis zum Schluss! Belebt wird der erzählte Text durch den Tittle-Tattle-Blog einer anonymen Mitschülerin von Liv, die scheinbar ALLES zu wissen scheint. Unter dem Namen Secrecy verbreitet sie jedes Geheimnis - nichts und niemand ist vor ihr sicher.

Gemeinsam mit Liv tauchen wir ein in die Welt der Träume und Geheimbünde. Und in die Welt der Liebe -
Liv und ihre Schwester Mia sind zum unzähligsten Mal umgezogen und deshalb neu an ihrer Schule, der britischen Frognal Academy.
Ihre Mum ist Literaturprofessorin und daher weltweit engagiert, was für die Mädchen bedeutet: keine festen Freundschaften, keine gewohnten Orte...immer unterwegs: "Wir hatten immer nur möbliert gewohnt und gelernt, unsere Zuneigung nicht an Gegenstände zu hängen, die größer waren als ein Buch. (Von meiner Gitarre und meinem Teddybären Mr Twinkle mal abgesehen.)

Eines nachts entdeckt Liv, dass sie in ihren sowie in den Träumen ihrer Mitschüler herum spazieren kann. Eine abenteuerliche - aber auch gefährliche - Welt!! Und nicht immer helfen hier ihre Fähigkeiten, die sie bei ihrem Kung-Fu-Lehrer Mr Wu gelernt hat.
Überhaupt ist Liv eine absolut symphatische Heldin: mutig, cool, klug (allerdings nicht immer so selbstsicher, wie sie vielleicht nach außen wirken möchte). In der Liebe ziemlich unerfahren und ein wenig schüchtern, geht sie schließlich sogar das Wagnis ein, sich zu verlieben.

Das Ende von "Silber" ist noch nicht das Ende der Story, man darf also auf die nachfolgenden Bücher gespannt sein. Und hoffentlich wird irgendwann auch das Geheimnis um Secrecy gelüftet.....

Mehr zum Buch und der Trilogie:


http://www.silber-trilogie.de/silbertrilogie/start